Berichte

Seminar des DKV mit Professor Aschieri

Am 27.03.2010 veranstaltet der DKV ein Seminar mit Prof. Pierluigi Aschieri und Prof. Dr. Dr. Mittelmeier (Leiter der Uni-Klinik) in die Orthopädische Uni-Klinik in Rostock, zu dem Alexander Hartmann stellvertretend für den DKV-Schulsportreferenten Ralf Brünig eingeladen war.
Nachdem verschiedene national und international anerkannte Mediziner zu sportmedizinischen Themen referierten, wie zum Beispiel Prof. Dr. Bloch aus der Schweiz zu Schulterschäden bei Sportlern und Dr. P. Diehl aus München zur Operativen Therapie sportbedingter Band- und Knorpelschäden, erläuterte Prof. Aschieri aus Italien die Grundlagen des Sound-Karate in Theorie und Praxis.

Hierbei ging er unter anderem auf evolutionsbiologische Grundlagen für das Karate, auf Lern- und Verarbeitungsprozesse im Gedächtnis, auf die unterschiedlichen Anforderungsniveaus im Karate im Vergleich mit anderen Sportarten und auf Wahrnehmungsprozesse ein. Aus den sportwissenschaftlichen Erkenntnissen leitet Prof. Aschieri seine komplexe Trainingsmethodik und -didaktik ab. Beispielhaft erläutere er dies an der Bedeutung der Rotationbewegung der Hüfte bei Handtechniken.

Einige wesentliche Forderungen seiner Trainingslehre sollen hier in Kürze dargestellt werden:

  • Der Karateka sollte frühzeitig und variabel in Bezug auf motorische, insbesondere koordinative Fähigkeiten geschult werden. Unter anderem wird dies dadurch erreicht, dass die Technik in der Anwendung mit Partnern und in verschiedenen Variationen vermittelt wird.
  • Eine Technik sollte durch das Training soweit verinnerlicht werden, dass ihre Bewegungsausführung automatisiert ist und sie verschiedenen Anforderungssituationen, zum Beispiel Angriffvariationen, angepasst werden kann.
  • Das Training sollte in Bezug auf die Belastungsintensität anspruchsvoll sein. Die Intensität und Einstellung des Karateka bei der Ausführung der Technik trainiert die abrufbare Qualität der Technik. Die Trainingsintensität sollte im Schnitt nicht unter 85 % der Wettkampfanforderung liegen.
  • Beim Üben der Techniken sollte das Verständnis über die Anwendung der Technik vermittelt werden, denn nur so kann sich der Karateka einen realen Angriff vorstellen bzw. sehen. Das Visualisieren eines Gegners ist unabdingbar für die Einstellung des Karateka, der darüber die Ausführung einer Kampfhandlung zum Ausdruck bringen soll. Der imaginäre Gegner in einer Kata muss förmlich vom Ausführenden und vom Beobachter zu sehen sein.
  • Die Aktionstechniken und Reaktionstechniken zwischen „Angreifer" und „Verteidiger", sowohl in der Anwendung mit Partner wie auch in der Kata, sollten als eine Art der Kommunikation verstanden werden, die ihren Sinn erst im Zusammenspiel beider wiederspiegelt. Ist der Karateka sich dessen bewusst, ist er in der Lage den entsprechenden realen Ausdruck in die Technik bzw. die Kombinationen einzubringen.
von li. Prof. Dr. Bloch, Dolmetscherin, Prof. Aschieri

Auf Nachfrage ging Prof. Aschieri auch auf verschiedene biomechanische Grundlagen ein. Unter anderem erläuterte er die Bedeutung der Geschwindigkeit einer Technik anhand der Formel für die kinetische Energie (Bewegungsenergie) und die Bedeutung der Atmung für die Körperspannung anhand des Prinzips actio = reactio.
Bei Letzterem würde der Körper im ungünstigsten Fall ohne Spannung die Energie der Technik resorbieren und sie somit die Technik „unwirksam" werden lassen.

Aschieri bei der Praxisvermittlung

Auffällig war auch, dass Prof. Aschieri bei der Vermittlung der Ausführung und Anwendungen der Techniken die Schüler zu Beginn sehr stark taktil, also durch Anfassen und Führen der Bewegung, unterstützte.

DKV Präsident Roland Hantzsche verwies gegen Ende des Seminars auch noch einmal auf die internationalen Erfolge der italienischen Nationalkämpfer hin, die auf der Grundlage Prof. Aschieris Trainingsprinzipien ausgebildet wurden.

Abschließend bleibt anzumerken, dass die „neuen" Trainingsprinzipien eigentlich in der traditionellen Ausbildung bekannt sind, aber in den letzten Jahren sicherlich häufig vernachlässigt wurden und zum Teil auch von einzelnen falsch interpretiert worden sind. Langfristig wäre es daher sinnvoll, dass die von Prof. Aschieri vermittelten Erkenntnisse in den einzelnen Dojos ankommen und umgesetzt werden, da hier die Basisarbeit geleistet wird. Nach Prof. Aschieri sind die Entwicklungsjahre zwischen dem 5. und 11. Lebensjahr die wichtigsten bzw. die effektivsten für die Kinder.

Nur in Zusammenwirken mit den einzelnen Dojos kann es langfristig erreicht werden, dass die deutschen Karateka auch in den kommenden Jahren international erfolgreich sein können. Abgesehen davon sollte es im Interesse jedes Trainers liegen seine Schüler wirklich optimal fördern zu können. Die Grundlagen sind hierfür bereits durch die Soundkarateausbildung durch Ralf Brünig und Helmut Spitznagel gelegt, deren Konzepte auf der Trainingslehre von Prof. Aschieri basieren.

Der DKV-Sportdirektor Ralph Masella hat als Organisator dieses Seminars ein sehr ansprechendes und kompetentes Referententeam zusammengestellt, wobei zu überlegen wäre, ob den einzelnen Referenten bei einer Wiederholung oder Neuauflage nicht ein wenig mehr Zeit eingestanden werden könnte, eventuell auch an zwei Seminartagen. Insgesamt war es ein sehr gelungenes Seminar, das auf weitere Seminare in Zusammenarbeit mit der Orthopädische Uni-Klinik in Rostock, Prof. Dr. Dr. Mittelmeier und dessen Team hoffen lässt.

von li. Prof. Dr.Dr. Mittelmeier, Ralph Masella, Prof. Aschieri, Alexander Hartmann, Roland Hantzsche

Zurück