Berichte
Oster-Intensiv-Seminar 2014
In der Zeit vom 7. – 13. April fand im Sport- und Leistungszentrum des Vereins für Traditionellen Budosport (VTB) e.V. in Großsander zum dreizehnte Mal das Oster-Intensiv-Seminar statt. Für die Teilnehmer standen wieder sieben Tage Unterricht in Theorie und Praxis im Budo auf dem Programm. Die Teilnehmer, zwischen 8 und 60 Jahren, wurden von vier Trainern während der Woche jeweils über den ganzen Tag betreut.
Unser Cheftrainer Jürgen Paterok, 9. DAN, besprach zwischen den Trainingseinheiten immer wieder etwaige Trainingsschwerpunkte der nächsten Trainingseinheiten mit den Trainern. Aufgrund seiner Vorgaben leiteten Axel Markner, 6. DAN, Alex Hartmann, 5. DAN, Franziska Schwarz und Heidi Hartmann, beide 1. DAN, die Teilnehmer in den Unterrichtseinheiten an.
Der 15-jährige Steven Klock war der einzige, der zum ersten Mal am Intensiv-Seminar teilnahm, alle anderen kamen schon als „alte Hasen“ nach Großsander.
Steven lebte mit seinen Eltern sieben Jahre in den USA und ist nun seit einigen Monaten wieder in Deutschland zurück. Er wohnt in Apen und trainiert seitdem die Kampfkunst Taekwon-Do und Kickboxen im VTB. Schon in den USA hat er Kampfsport betrieben und dieses Seminar hat ihm „richtig gut gefallen“.
Dies liegt sicherlich auch an dem hohen Anspruch, den die traditionell vermittelten Kampfkünste an die Ausbildung stellen. Das Konzept der Intensiv-Seminare ist von Großmeister Jürgen Paterok entwickelt worden und gibt einen Einblick in das Leben, Lehren und Lernen nach den traditionellen Prinzipien einer Kampfkunst. Eine Woche lang können die Teilnehmer sich ausschließlich auf ihre Entwicklung in der Kampfkunst konzentrieren. Angefangen von dem Angebot der morgendlichen Meditation über die sportlergerechte Ernährung bis hin zu den bis zu drei praktischen Trainingseinheiten und dem theoretischen Unterricht ist alles auf Budo ausgerichtet.
Zu Beginn der Woche standen Trainingseinheiten zur Grundschule auf dem Programm. Diese wurden dann im Verlauf des Seminars in Variationen und in der Anwendung am Partner geübt. Ein Schwerpunkt des Unterrichts lag auf den verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der Techniken in den Partnerkämpfen. Dem Ursprung nach ist das Traditionelle Taekwon-Do eine Zen-Kunst und somit liegt der Sinn der Technik in der effektiven Anwendung am Partner. Hierfür bedarf es u.a. der richtigen Distanz- und Timingschulung, um im Ziel einer Technik die optimale Kraftabgabe zu erreichen.
Zum Zwecke der Veranschaulichung wurden die Techniken auch immer wieder von den Trainern demonstriert.
In der realistischen Selbstverteidigung, die in einer Einheit am Ende der Woche geschult wurde, vereinigen sich dann auch die verschiedenen Komponenten des Traditionellen Taekwon-Do im Optimalfall zur höchsten Kunst.
Vereinfacht könnte man die Komponenten so erklären, dass ...
- in der Grundschule die Techniken in ihrer effektivsten Form erlernt werden,
- in dem Hyong diese in Kombinationen miteinander in einem Kampf mit imaginären Gegnern vertieft werden,
- in den verschiedenen Partnerkämpfen die Anwendung am Gegner erlernt wird,
- im Freikampf die freie Anwendung der Techniken nach einem gewissen Regelwerk,
- beim Bruchtest die Effektivität der Techniken demonstriert werden und
- in der realistischen Selbstverteidigung sich alles vereint.
Diese praktische Ausbildung erfolgt natürlich immer vor dem Hintergrund der Persönlichkeitsentwicklung in den DO-Systemen.
Bei den Seminaren steht das individuelle Training immer im Vordergrund, das durch die drei Unterrichtseinheiten pro Tag intensiver betrieben werden kann. Denn nur wenn so viel Trainingszeit zur Verfügung steht, können sich die Teilnehmer unter Anleitung der Trainer mit einer Thematik oder einem individuellen Schwerpunkt konzentriert auseinandersetzen. Das können sowohl die Prüfungsinhalte sein als auch nur eine oder zwei Techniken, auf die man sich spezialisieren will.
So trainierten Nick und Joelle zum Beispiel den Tymyo Yop Cha Chirugi u.a. an einer Weichbodenmatte. Joelle erarbeitete sich eine höhere Sprunghöhe, während Nick die Position seines Konterbeines im Moment der Kraftabgabe verbesserte.
Während der Trainingseinheiten zur Grundschule wurde dann auch immer wieder in großen Gruppen trainiert.
In der Grundschule, welche die Basis der traditionellen Kampfkünste ist, werden sowohl vom Youkupja wie auch vom Youdanja immer wieder die Grundlagen wiederholt und verbessert.
Dies gilt für Hand- und Fußtechniken gleichermaßen.
Die jüngsten Teilnehmer des Seminars, Latisha Wallek, 8 Jahre und 4. Kup, und Nick Praßel, 12 Jahre und 2. Kup, bereiten sich auf ihre nächste Prüfung, voraussichtlich im Sommer, vor und auch auf Vorführungen, bei denen sie Partnerkämpfe und Spezialtechniken zeigen. Für Latisha bedeute dies insbesondere das Üben der verschiedenen Ilbo Taeryon, dem Einschritt-Partnerkampf. Hierbei sind der Angriff und die Verteidigungstechniken festgelegt und der Konter erfolgt zum Teil direkt, ohne dass vorher eine Blocktechnik ausgeführt wurde.
Dass Nick ganz besonders gerne die Sprungtechniken ausführt, zeigt sich auch in einem seiner Parts für das Demoteam, bei dem er den Tymyo Nomo Yop Cha Chirugi als Bruchtest ausführt. Während des Intensiv-Seminars arbeitete Nick an der Flugphase des Sprungs und der Anzahl der zu überspringenden Personen. Erklärtes Ziel ist es von Nick, später einmal über 10 oder mehr Personen zu springen.
Dass sich die positive Lernatmosphäre auch auf die jüngeren Teilnehmer übertrug, zeigte sich u.a. an Latisha, die auch außerhalb der Trainingszeiten für ihre nächste Prüfung lernte und im Clubraum in Großsander des Öfteren kund tat: „Ich will lernen!“
Es sind neben den umfangreichen praktischen Anwendungen eben auch theoretische Kenntnisse gefragt und deswegen gab es auch täglich Unterricht, der von den DAN-Trägern angeleitet wurde. Thematisiert wurden dabei sowohl philosophische Aspekte der Kampfkunst als auch konkrete Fragen aus der Prüfungsordnung zur Bauchatmung, zur Trainingsplanung oder zur ersten Hilfe. In diesem Zusammenhang kamen insbesondere von den jüngeren Teilnehmern auch Fragen zur traditionellen Ausbildung im Niekampsweg.
Hier wohnen Lehrer, Trainer und Übungsleiter, die zu jeder Tages- und Nachtzeit die Möglichkeit zum Trainieren haben. Hierfür stehen ihnen ein Dojang und ein Kraftraum zur Verfügung. Angeleitet werden sie durch den Cheftrainer Großmeister Jürgen Paterok, der auch täglich nach Bedarf mit seinen Schülern Lehrgespräche führt.
Großmeister Paterok gehört zu den wenigen Lehrern, die mit ihren Schülern zusammen leben und ihnen so eine intensivere Ausbildung ermöglichen. Christof Fischbach war davon so fasziniert, dass er am liebsten ins Sport- und Leistungszentrum einziehen würde: „Dann könnte ich jeden Tag unter Anleitung Taekwon-Do trainieren“ so Christof.
Aber auch zwischen den Einheiten nutzten die Teilnehmer jede Gelegenheit, sich gegenseitig zu helfen und noch einmal Wissenslücken zu schließen.
Insbesondere Eva-Maria Sündermann, 2. Kup, sprach die Jüngeren immer an und gab ihnen wertvolle Hinweise oder demonstrierte und erklärte Techniken.
Mit Heidi zusammen demonstrierte sie auch verschiedene Sprungtechniken am Partner, um den niedriger graduierten Youkupja ein Vorbild zu geben.
Dass die Übungsleiter und Trainer nicht nur unterrichten, sondern die Gelegenheit nutzen – neben dem selbstständigen Training im Dojang – auch in der ein oder anderen Trainingseinheit mitzumachen, versteht sich von selbst.
In Vorbereitung auf ihren 2. DAN erarbeitete Heidi sich, zusammen mit Eva, verschiedene Techniken am Partner und in der Anwendung.
Alexander Hartmann, der als Trainer und Prüfer während des Lehrgangs fungierte, demonstrierte auch den Fortgeschrittenen immer wieder Techniken.
Joshua und Joelle Kannapin, Wencke Emkes und Olaf Krieg bereicherten das Seminar als Braun- und Schwarzgurte natürlich umso mehr als dass sie auch außerhalb des Trainings Vorbilder sind und die Prüflinge unterstützten, wo immer es ging. Alle vier befinden sich ebenfalls in der Vorbereitung auf ihre nächst höhere Prüfung.
Im Rahmen dieser Prüfungsvorbereitung arbeiteten die Fortgeschrittenen an der Ausführung verschiedener Fuß- und Sprungtechniken in der Anwendung am Partner und verschiedener Variationen der Grundschule.
Wencke setzte sich u.a. mit den Variationen des Yop Cha Chirugi auseinander. So ist die Variation mit der engen Anreißphase vor der Brust z.B. eine sehr kräftige Ausführung.
Bei einer sehr kräftigen Variation des Ap Pandae Tollyo Chagi wird in der Anreißphase der Oberschenkel des gestreckten, tretenden Beines möglichst eng vor der Brust angerissen.
Zur Vorbereitung auf die nächste Prüfung gehören im Rahmen der „Überprüfung des bisherigen Prüfungsprogrammes“ auch diverse Partnerübungen, wie Sambo-, Ibo-, Ilbo- und Panjayu Taeryon, die immer wieder praktiziert werden.
Freitagabend stand für die Teilnehmer eine Einheit Hosinsul (realistische Selbstverteidigung) auf dem Programm. Axel Markner schulte verschiedene Inhalte, je nach Alter und Fähigkeit der Budoka. So erlernten oder vertieften einige der höher Graduierten die Abwehr von unbewaffneten Angreifern und die Abwehr gegen einen Messer- oder Stockangriff,
während sich die Anfänger mit den Grundlagen der Selbstverteidigung, wie z.B. die Befreiung aus verschiedenen Umklammerungen auseinandersetzten.
Ziel der realistischen Selbstverteidigung ist es immer, dass der Verteidiger möglichst unverletzt aus der Gefahrensituation hervorgeht. Dafür ist das Weglaufen die einfachste und optimalste Lösung. Sollte dies aber einmal nicht möglich sein, kommen die Mittel der realistischen Selbstverteidigung zum Einsatz. Dafür ist dann ein konsequentes und effektives Handeln notwendig.
Zum Ende des Seminars standen dann noch für einige Teilnehmer Prüfungen an, auf die sie sich während der Woche vorbereitet hatten.
Als besonders positiv wird von den Prüflingen und Teilnehmern immer wieder genannt, dass sie während der Intenisv-Seminare mit vielen verschiedenen Partnern trainieren können, die gleich hoch oder besser noch höher graduiert sind, sodass man voneinander profitieren kann.
Auf umfangreiche Vorprüfungen mussten sich dafür Daniel Tebelmann und Timo Hesper vorbereiten. Die beiden Prüflinge strebten die Graduierung des 3. Kup an und mussten daher ihre gesamten bisherigen theoretischen und praktischen Kenntnisse unter Beweis stellen. Beide erzielten ein Prüfungsergebnis, mit dem sie sehr zufrieden waren. Insbesondere mit den Bruchtests konnten sie viele Punkte erzielen.
In den Partnerübungen demonstrierten sie verschiedene Variationen von Fuß-Techniken zum Angriff und als Konter und gingen auch auf unterschiedliche Abwehr- und Verteidigungsmöglichkeiten ein.
Für die Prüfung auf den Grüngurt (6. Kup) bereiteten sich gleich mehrere Teilnehmer vor: Christof Fischbach, 13 Jahre, Thomas Schmidt, 34 Jahre, und Joachim Frühauf, 60 Jahre, wurden von den Prüfern Alexander Hartmann und Axel Markner dafür genauer ins Visier genommen. Die drei erfolgreichen Prüflinge sind nicht nur ein Beispiel dafür, dass das kontinuierliche Üben über einen längeren Zeitraum die Voraussetzung für Erfolg ist – denn wann immer sie können, nehmen sie an Lehrgängen teil – sondern dass es in jedem Alter möglich ist Kampfkunst zu praktizieren und alle miteinander lernen.
Der Prüfungsälteste Joachim betont immer wieder, wie gut im das Training für seine körperliche Verfassung tut und wie gut es ihm gefällt.
Die drei frischgebackenen Grüngurte waren sehr stolz über die bestandene Prüfung und Christof hat sich fest vorgenommen, einmal DAN-Träger zu werden.
Für Steven Klock war diese Woche eine ganz neue intensive Erfahrung. Aufgrund seines konzentrierten Trainings konnte er bei der Prüfung zum 9. Kup mehr als 6 Punkte erreichen, was es ihm ermöglichte eine Doppelprüfung abzulegen. Dank der guten Vorbereitung konnte er dann auch die Prüfung zum 8. Kup erfolgreich abschließen.
Beim gemütlichen Zusammensein am letzten Abend des Intensiv-Seminars sprach Steven aus, was die anderen anschließend bestätigten: „Mir kommt es vor, als wenn es erst Mittwoch wär´. Die Zeit ging so schnell vorüber. Selbst der Muskelkater wurde am Ende der Woche weniger!“
Besonders hervorzuheben ist, dass während des Seminars eine sehr harmonische Atmosphäre unter den Teilnehmern herrschte, obwohl das Alter der Teilnehmenden als auch die Graduierungen (10. Kup bis 2. DAN) sehr weit auseinander lagen.