Berichte
Der Kampftag, 29. Mai 2004
Der Morgen des Kampftages beginnt für das Team ruhig. Heidi braucht nach dem gestrigen Wiegen nicht mehr auf ihr Gewicht - sie wog genau 66,0 kg – achten und so genehmigen sich Kämpferin und Betreuer ein ausgiebiges Frühstück.
Der Tag verspricht sogar sonnig und warm zu werden, zum ersten Mal seit der Ankunft am vergangenen Sonntag.
Ute und Heidi unternehmen einen ausgiebigen Spaziergang durch den Alten Botanischen Garten, der ganz in der Nähe des Hotels liegt und genießen anschließend die Sonne am Hafen.
Die letzte Mahlzeit vor dem Kampf sollte noch einmal die Speicher auffüllen - das Team einigt sich auf ein Essen im asiatischen Restaurant.
Nachmittags zieht Heidi sich noch für die verbleibende Zeit zurück, um sich zu entspannen und mental auf ihren Fight vorzubereiten. Kurz vor der Abfahrt mit dem Shuttle trifft sich das Team zur gemeinsamen Meditation. Die Sammlung der Energie und Konzentration gibt Heidi die mentale Kraft, den Kampf so zu gestalten, wie es im Vorbereitungstraining erarbeitet wurde.
Um 18:30 Uhr Ankunft in der Ostseehalle Kiel.
Der Fanbus vom VTB war schon früh am Nachmittag in Kiel eingetroffen und die Schlachtenbummler verbrachten die Stunden bis zum Einlass in der Kieler Innenstadt.
Neben dem großen Reisebus kamen auch zahlreiche Privat-PKW mit Fans nach Kiel, um Heidi lautstark zu unterstützen und mitzufiebern.
19:15 Uhr: Michael Timm, Trainer von Universum Box-Promotion, Betreuer von Daisy Lang, kommt in Heidis Kabine, um ihr das professionelle Tape um die Hände zu wickeln. Beobachtet wird das von WIBF Vize-Präsident Jürgen Lutz. Es gibt klare Vorgaben, wie die Hände zu bandagieren sind, denn sie dürfen nur dem Schutz der Hände dienen und nicht die Schlagwirkung erhöhen.
So langsam wird mit dem Aufwärmen begonnen. Leichtes Schattenboxen, dann Pratzenarbeit mit Axel Markner, die Heidi in Fahrt bringen soll.
Die Handschuhe, beim Roulesmeeting von Coach Jürgen Paterok geprüft und abgezeichnet vom belgischen Ringrichter van de Wiele, werden angezogen und ebenfalls mit Tape umwickelt.
Nun heißt es nur noch warm halten und sich auf zehn Runden im Ring mental vorzubereiten.
Es ist soweit: der erste Kampf, ein Amateurkampf, ist beendet. Heidis Einmarschmusik läuft: „Baila Conmigo" von BeeQueen alias Sabine Spruth, ehemals Boxerin im Box-Team Paterok, hat Heidi diese unveröffentlichte Musik für ihren Kampf zur Verfügung gestellt.
Von „Heidi, Heidi"-Rufen begleitet, tritt sie in die Halle und begibt sich, von Kameras begleitet, auf den Weg zum Ring. Sie spürt, dass das Publikum auf ihrer Seite ist und das gibt natürlich auch Mut und Kraft.
Die Nationalhymnen werden gespielt, der Ringrichter, ein sehr erfahrener Mann, der häufig hochkarätige Kämpfe richtet, gibt die letzten Anweisungen an die beiden Frauen.
Ring frei!
Das Kampfgeschehen:
Beide Frauen wollen gleich angreifen und Druck ausüben, aber die Niederländerin Marischa Sjauw kommt besser in den Kampf. Schon nach der ersten Minute gelingt ihr ein Niederschlag mit einem Schwinger zum Kopf. Heidi wird angezählt. Die Fans sind geschockt, feuern Heidi aber jetzt umso mehr an.
Runde 2 geht ebenfalls an Sjauw, obwohl jetzt mehr taktiert wird. Von Runde zu Runde wird der Kampf ausgeglichener, Heidi findet endlich zu ihrem Stil. Sie hört die Anweisung aus ihrer Ecke und setzt ihre Marschroute immer besser um.
Heidi lässt Marischa häufig ins Leere laufen, nachdem sie zwei Gerade geschlagen hat. Das schnelle Reinsteppen, das schnelle Rausgehen und Ausweichen der langen Ostfriesin machen der kleineren Sjauw mehr und mehr zu schaffen. Sie findet kein Rezept, kommt nicht in den von ihr erwünschten Infight. Sie versucht, mit Körperhaken zu punkten, aber die Wirkung bleibt aus, Heidi ist zu schnell auf den Beinen.
In Runde 6 kommt es zu einem unabsichtlichen Kopfstoß, Marischa erleidet einen Cut am linken Auge.
Der Ringarzt wird ersucht, die Wunde zu kontrollieren, aber es gibt keine Bedenken, den Kampf fortzusetzen.
In Runde 9, Marischa baut konditionell stark ab, Heidi besitzt genug Reserven und kann einige harte Geraden schlagen.
Die Niederländerin ist angeschlagen, hält sich aber auf den Beinen. Ihre Nehmerqualitäten sind enorm.
Der Gong erlöst sie, allerdings hat sie Mühe, ihre Ringecke zu finden und der Ringrichter muss Marischa zu ihrem Team zurückführen.
Heidi benötigt eine Weile um zu realisieren, was passiert ist: Heidi hatte ihre Gegnerin so schwer angeschlagen, dass die Ringärztin nach einer Begutachtung den Kampf zum Schutze der Gesundheit der Kämpferin vor der zehnten Runde stoppen ließ.
Jetzt steht es fest: Heidi ist neue Weltmeisterin der WIBF im Superweltergewicht!
Die Freude in der blauen Ringecke ist riesig. Das ist der Lohn für die harte Arbeit in den vergangenen Wochen.
Jürgen Lutz, Vize-Präsident der WIBF, schnallt Heidi den riesigen Gürtel um. Lob auch vom Technischen Leiter der Universum Box-Promotion Marcel Nartz: „Super Kampf, tolle Leistung!"
Einige Minuten später wird sie vom ZDF zu ihrem Kampf interviewt. In der Sportschau wird dieses Interview zu später Stunde zum Teil ausgestrahlt.
Nach vielen Gratulationen aus dem Team und dem Zuschauerbereich darf Heidi nun zur Kabine zurück. Aber auch dort wird sie schon erwartet: die Dopingkontrolle muss unmittelbar nach dem Kampf erfolgen. Die zweite Hürde, aber Heidi hat nach der EM in Oldenburg schon Erfahrung damit. Nach fast zwei Stunden ist sie entlassen, so lange hat es gedauert, bis die nötige Urinprobe unter Aufsicht abgegeben wurde. Literweise zu trinken ist bisweilen kein Vergnügen.
Auch dann ist an Ruhe oder ans Feiern noch nicht zu denken. Alex und Heidi werden schnell ins Hotel gebracht, damit sie duschen und sich umziehen können, denn der Hauptkampf Halmich vs. Lang hat schon begonnen und unmittelbar im Anschluss daran folgt die Pressekonferenz.
Nach Mitternacht geben die Boxerinnen Hartmann und Sjauw und deren Trainer und Betreuer ein Statement zum Fight ab.
Marcel Nartz und Jürgen Lutz machen für die Presse noch einmal deutlich, dass Heidi Hartmann zum Zeitpunkt des Abbruchs des Kampfes schon mit mindestens zwei Runden in Führung lag, so dass es keinen Zweifel am Sieg der Ostfriesin geben konnte. Nartz: „Die Zusammenarbeit mit dem BOXTEAM PATEROK und Heidi Hartmann war im Vorfeld schon sehr gut und wir sind sehr zufrieden mit der Leistung des heutigen Abends."
Aus seiner Sicht war dieser Kampf der Beste des gesamten Events.
Es bleibt abzuwarten, wie eine weitere Zusammenarbeit mit dem Boxstall Universum aussehen wird. Für viele war der Ausgang dieses WM-Kampfes eine Überraschung, kaum einer der Box-Experten rechnete damit, dass Heidi eine so starke boxerische Leistung zeigen würde. Jürgen Lutz Kommentar: „Heidi hat sich enorm gesteigert!"
Cheftrainer Jürgen Paterok war wohl derjenige, der am wenigsten überrascht war, denn er war von Anfang an felsenfest davon überzeugt, dass Heidi als Siegerin aus dem Ring gehen würde.
Ein wohldosierter Trainingsplan in den letzten beiden Monaten, nach Heidis regelmäßigen achtstündigen Arbeitstagen an der Polizeischule in Oldenburg, brachte sie auf den Tag genau in die Form, die zum Sieg gereicht hat.
Vier bis fünf Stunden täglich stand physisches und mentales Training auf dem Plan, dazu gab es dann noch eine ausgewogene Ernährung und vor allen Dingen, wann immer Heidi es wollte, gute Freunde an ihrer Seite.
So schmiedet der Cheftrainer des Boxstalls in Uplengen auch schon Pläne für einen Kampfabend in Oldenburg. „Wenn die Region unser Vorhaben unterstützt, hoffen wir, dass es Ende des Jahres zu einer WM-Titelverteidigung kommen wird", so Paterok. Aber natürlich ist das BOXTEAM für alle guten Optionen offen.
Das Team, das Heidi auf ihrer Weltmeisterschaft betreut.
v.l: Alex Hartmann, primärer Sparringspartner von Heidi, Heidi Hartmann,
Jürgen Paterok, Cheftrainer und Manager vom BOX-TEAM PATEROK sowie
die beiden lizenzierten Profi-Boxtrainer Rainer Kersten und Axel Markner
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH DER NEUEN WELTMEISTERIN
VON IHREN VEREINSKOLLEGEN VOM VTB !!!